Kostas Maros
cicatrice

Ausstellung:
4. März bis 1. Mai 2021

Opening:
Donnerstag, 18. März 2021, 18.30 Uhr
Kostas Maros und Melody Gygax, Swiss Agent MAGNUM PHOTOS sind anwesend

Artist Talk:
Samstag, 27. März 2021, 15 Uhr
Das Gespräch führt Melody Gygax, Swiss Agent MAGNUM PHOTOS

Finissage:
Samstag, 1. Mai 2021, 13 bis 17 Uhr


Subjekt von Kostas Maros fotografischem Projekt Cicatrice sind die Marmorvorkommen der apuanischen Alpen. Der dortige Marmorabbau lässt sich bis weit in die Antike zurückverfolgen. Und weiter ist Marmor untrennbar mit der klassischen Kunst Italiens — namentlich etwa mit Michelangelo, der bekanntlich zahllose Meisterwerke aus dem weissen Stein meisselte — verbunden.
Werden die Marmorbrüche von Carrara aus der Vogelperspektive betrachtet, so kristallisieren sich die tiefen Spalten, Plätze, und Strassen, die ihrerseits aus dem geaderten Kalkgestein erzeugt wurden, auf wunderbare Art und Weise heraus. Dieser Anblick geht mit menschlichem Eingreifen in die Natur einher und evoziert gleichzeitig natürlichen Respekt vor den mächtigen Felsen beim Betrachter. Darüber hinaus lässt sich eine visuelle Anziehungskraft benennen, die vom begehrten ‚weissen Gold‘ ausgeht.
Die wirtschaftlichen und gar politischen Komponenten, welche der gefragte ‚Carrara-Marmor‘ seit jeher mit sich bringt, präsentieren sich heute als tiefe Narben in den weissen Bergen. Maros Fotografien widmen sich ganz der Welt des Marmors, die ihre eigenen Gesetzt birgt und sich durch eine bizarre Ästhetik auszeichnet. In Maros Bildern klingen die tiefgreifenden Folgen des Steinabbaus — beispielsweise Umweltverschmutzung oder Luxusgier —  stillschweigend mit.

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Eine Einordnung von Melody Gygax der Ausstellung
Cicatrice von Kostas Maros in der Galerie 94

Eine künstlerische Arbeit mit einer klaren Botschaft. Nicht nur für die Schönheit dieses majestätischen Steins. Hier schwingt Stolz und Tradition, seine Erfolgs-Geschichte mit - ich selbst habe meinen Bezug und bin mit diesem Stein im Garten in Form eines Brunnens aufgewachsen und kletterte als Kind im Steinbruch herum - aber natürlich hat das Eingreifen des Menschen in die Natur, der Jahrhunderte lange Abbau des Felsens auch seine Folgen und zeichnetseine Furchen oder Narben in die Natur. Cicatrice  auf italienisch und französisch → Narbe

Wie damit fotografisch umgehen?

Die gewählte Form erschliesst sich aus dem Werdegang des Fotografen Kostas Maros und zeigt seine Entwicklung deutlich. Nach Abschluss seiner juristischen Laufbahn begann er als Pressefotograf bei der Basler Zeitung und machte ein Praktikum bei mir. Im Jahr 2012 stellte ich ihn als Bildchefin der Zeitung fest an, wo er noch heute neben anderen Wirkungsfeldern tätig ist. Er zeichnet sich durch seine qualitativ hochstehende und feinfühlige Portraitfotografie aus und seine Reportagen folgen gekonnt einem narrativen Strang, sich der Vollständigkeit bewusst, die dieses Genre erfordert: Vollständigkeit bedeutet, dass auch alle negativen Aspekte beleuchtet werden, auch Personen mit einbezogen werden und die Auswirkungen auf die Natur breit sichtbar wird.

Seine Tätigkeitsfelder erweitern sich aber auch immer mehr in eine neue Richtung.

Nun wäre dieses Thema für eine klassische Reportage mit gesellschaftskritischem Hintergrund ideal. Obwohl der Fotograf während seiner Aufenthalte in Carrara mit einem Umweltaktivisten in den apuanischen Alpen unterwegs war, ist die Herangehensweise des Fotografen nicht die der Reportage:
Er geht künstlerisch vor. Er entscheidet sich für ein Extrakt, er nimmt sich die Freiheit, wegzulassen. Das heisst, dass er eben nicht der Vollständigkeit verpflichtet ist und nicht alle - im Ausstellungstext beschriebenen - Aspekte mitnehmen muss. Hier endet die Form der Reportage und beginnt die Kunstform. Beide Formen schliessen sich aber nie aus.
Der Mensch steht wohl neben der Natur im Zentrum dieser Arbeit, ist aber nicht direkt sichtbar. Seine Spuren sind es, er ist stark spürbar durch seinen Eingriff in die Natur. Der Fotograf lässt den Menschen in seinen Fotografien hier bewusst aussen vor. Er legt den visuellen Fokus auf die Natur und verzichtet auf menschliche Präsenz.
Aus persönlichem Interesse und aus Begeisterung für den Ort entstand diese Arbeit. Die Vorgehensweise ist eine sehr langsame, da er mit der Fachkamera weniger mobil ist und sie ein langsames, aber wachsameres Fotografieren erfordert. Er schaut anders: bewusster, überlegter, bewegt sich also in einer ganz anderen Form um das gigantische Sujet herum. Gewisse Bilder und Perspektiven erfordern einen Mehraufwand, l ngere Kletterrouten, die er mit dem Umweltaktivisten und Kenner der apuanischen Alpen bewältigt.

Die visuelle Anziehungskraft der Mächtigkeit des Steins erschlägt einen beinahe, einer Ohnmacht gleich. Kostas entscheidet sich, grafisch vorzugehen und zeichnet ein architektonisches Portrait. Er vermeidet störende Faktoren wie teilweise überflüssigen Himmel, Bagger, den Menschen - es ist kein touristischer Blick, sondern ein skulpturaler. Die Erhabenheit und die Sch nheit werden virtuos verbunden mit dem Aspekt der Zernarbung des Berges und dem Einschnitt ist die Landschaft. Die Anmutung aller Bilder in diesem Raum bilden eine visuelle Verneigung vor der monumentalen Kulisse und vor allem einen Weckruf an die Menschen im Umgang mit der Natur.
Dieses Vorgehen erinnert an den Fotografen Paolo Pellegrin, der Fotografenagentur MAGNUM PHOTOS, der mit seiner Arbeit Antarctica  einen solchen Weg ging. Er zeigt eben nicht nur  die Schönheit der Antarktis, indem er sehr nahe über der Oberfläche fliegen kann, ermöglicht durch die Nasa, sondern verweist auf das Leiden der Natur, auf die Klimaerwärmung und das Ansteigen des Meerespiegels.

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«H2O» (Gruppenausstellung)

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